Im digitalen Zeitalter hinterlassen wir nicht nur materielle Spuren, sondern auch eine Vielzahl an digitalen Daten, die unser Erbe prägen. Neben Social-Media-Profilen, E-Mails und Abonnements bleiben diese Informationen oft über Jahre hinweg erhalten. Dies führt zur Entstehung eines neuen Geschäftszweigs: dem Digital Afterlife. Unternehmen bieten mittlerweile Dienstleistungen an, um digitale Nachlässe zu verwalten – sei es durch das Löschen von Konten, das Vererben von Online-Identitäten oder die Organisation von virtuellen Gedenkseiten. Ein faszinierendes, aber auch beunruhigendes Beispiel dafür, wie unsere digitale Existenz über den Tod hinaus weiterlebt.
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Der digitale Nachlass: Zwei Perspektiven
Das digitale Erbe lässt sich in zwei Hauptbereiche unterteilen: Death Tech und Grief Tech. Death Tech umfasst technische Lösungen, die es Nutzenden ermöglichen, ihre digitalen Nachlässe zu planen. Dienste wie Passwortmanager helfen dabei, Angehörigen Zugang zu digitalen Konten zu verschaffen oder diese zu löschen, wodurch die Hinterbliebenen entlastet werden. Auf der anderen Seite bietet Grief Tech neue Wege der Trauerbewältigung, etwa durch virtuelle Gedenkstätten oder KI-basierte Chatbots («Deadbots»), die es ermöglichen, nach dem Tod weiterhin mit einer digitalen Version des Verstorbenen zu kommunizieren.
Digitale Untote – Nachrichten von Verstorbenen
Die Entwicklungen rund um das digitale Erbe bieten zwar neue Möglichkeiten, werfen jedoch auch bedeutende ethische und rechtliche Fragen auf. Es bleibt unklar, ob der digitale Nachlass zur «digitalen Unsterblichkeit» führen sollte und wie lange Daten nach dem Tod aufbewahrt werden dürfen. Besonders kritisch ist die Frage, wie die digitale Privatsphäre Verstorbener geschützt werden soll. Sollte die digitale Präsenz der Verstorbenen weiterexistieren, und wer entscheidet darüber, welche Daten erhalten bleiben oder gelöscht werden?

Eine digitale Präsenz Verstorbener kann den Hinterbliebenen zwar Trost spenden, stellt jedoch auch eine potenzielle Belastung dar, insbesondere wenn Bestattungen digital ein weiteres Mal durchlebt werden müssen. Nicht alle Trauernden empfinden es als hilfreich, unerwartet Nachrichten von Verstorbenen zu erhalten – sei es zu Jahrestagen, besonderen Anlässen oder einfach sporadisch. Hier ist es wichtig, auch die Bedürfnisse der Hinterbliebenen zu berücksichtigen. Selbst wenn der oder die Verstorbene explizit gewünscht hat, digital präsent zu bleiben, sollte es den Angehörigen möglich sein, diese Form der digitalen Erinnerung zu regulieren oder zu pausieren.
Digitale Unsterblichkeit mit Bedacht
Der digitale Nachlass erfordert eine sorgfältige Planung und frühzeitige Information der Angehörigen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten Verstorbener zu gewährleisten. Plattformen zur Verwaltung des digitalen Erbes müssen hohe Sicherheitsstandards einhalten, um Missbrauch zu verhindern. Zusätzlich kann die Sorge, dass diese digitalen Abbilder gelöscht oder manipuliert werden, die emotionale Belastung noch verstärken Ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Nachlässen muss daher technische Lösungen bieten und zugleich die psychischen und emotionalen Bedürfnisse der Trauernden berücksichtigen.
Trotz aller digitalen Möglichkeiten sollten wir nicht vergessen, dass wahre Erinnerungen und Rituale jenseits der virtuellen Welt einen unersetzlichen Wert besitzen.
Die Studie «La mort à l’ère numérique» sowie die rechtliche Ergänzung «Tod im digitalen Zeitalter», veröffentlicht von TA-SWISS, befassen sich eingehend mit den Herausforderungen und ethischen Fragestellungen des digitalen Nachlasses. Für Interessierte bieten beide Werke eine umfassende Vertiefung in die rechtlichen, technischen und gesellschaftlichen Aspekte dieser noch jungen, aber komplexen Thematik.
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