Dass wir mit unseren Geräten einen Strom an Daten hinterlassen, dessen waren wir uns doch schon längst bewusst. Spätestens seit wiederholten Facebook- und WhatsApp-Skandalen sollte uns klar sein, im Netz ist nichts umsonst. Unsere Daten sind eine begehrte Währung. Doch wie gross ist der Umfang der Überwachung, der wir uns bewusst oder unbewusst aussetzen, tatsächlich? Welche Apps spionieren uns auf welche Weise aus? Was geschieht mit unseren Daten, und was können wir dagegen unternehmen?
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Der Test, den Experten empfehlen, und warum er zum Scheitern verurteilt ist
Wenn du wissen möchtest, ob dein Telefon dich heimlich abhört, raten Fachleute dazu, ihm eine Falle zu stellen. Und die sieht so aus: Recherchiere eines, besser noch mehrere Themen, für die du dich weder interessierst noch jemals danach im Netz gesucht hast. Dazu darfst du nicht dein Telefon benutzen, den Computer, den du normalerweise verwendest, genauso wenig. Am besten, du recherchierst komplett offline oder anonym an einem Gerät, das du dir dafür ausgeliehen hast. Diskutiere mit Freunden und Kolleginnen darüber – wenn du konspirative Mitstreiter und Mitstreiterinnen findest, umso besser. Doch schaltet dann eure Smartphones und sonstigen Geräte vorerst noch aus. Es ist kompliziert.
Hast du deinen Köder (deine Themen) gefunden, wirf ihn aus. Unterhalte dich – notfalls allein – mehrmals am Tag über mehrere Wochen hinweg in der Nähe deines Geräts darüber. Wenn dein Telefon dich heimlich aufnimmt, sollten im Laufe der Zeit entsprechende Werbungen bei dir eintrudeln, so die Idee.
Wirklich wasserdicht?
Der Plan scheint clever, doch in Wirklichkeit ergeben sich daraus gleich massenweise Probleme.
Sind wir so schlau?
Immer und immer wieder greift unser Gehirn auf seinen Wissensschatz zurück. Irgendwo sind die Informationen auch zu den abstrusesten Themen abgespeichert. Unvoreingenommene Entscheidungen bei der Themenauswahl zu treffen, ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen. Und wie können wir sicher sein, dass nicht jemand aus unserem (erweiterten) Bekanntenkreis sich genau für eines dieser Themen interessiert? Die Assistenten der werbetreibenden Konzerne bedienen sich ausgefeilter Algorithmen, um uns auch hin und wieder überraschende Vorschläge (Serendipität) zu unterbreiten.
Kurzum, positive Ergebnisse sind nicht zwingend der Beweis dafür, dass dein Telefon dich abhört.
Bleiben wir bei der Voreingenommenheit. Wenn wir unseren Test durchführen, erwarten wir positive Ergebnisse. Wir tappen in die Falle des Bestätigungsfehlers. Werden uns tatsächlich und zufälligerweise Anzeigen zugespielt, die auf unsere ausgewählten Kriterien direkt oder im weitesten Sinne zutreffen, werten wir das als Beweis unserer These – zu Unrecht!
Der Beweis – kein Beweis.
Vielleicht bekommst du aufgrund deines Tests komplett andere Werbeeinblendungen als die, mit denen du rechnest. Ein Beispiel: Wer reisen will, benötigt das nötige Kleingeld, um sich seine Traumreise auch erfüllen zu können. Vielleicht werden daher zum Thema Urlaub Reisen gar nicht direkt beworben, sondern eher Kleinkredite. Dergleichen jedoch tatsächlich als triftigen Beweis einer Abhöraktion zu werten, ist nahezu unmöglich. Und nebenbei bemerkt, Konsumschulden einzugehen ist nie eine gute Strategie, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Du bekommst keine Ergebnisse zu deinen Themen angezeigt. Alles gut? Falsch! Vielleicht ist dein Telefon so schlau, dass es genau weiss, dass diese Themen dich nicht interessieren. Negative Ergebnisse widerlegen die These nicht.
Zu einem ähnlichen Schluss kam auch dieses Trio, das auch den Test durchführte.
Abstrus, unerwünscht, unpassend: der Selbstversuch
Hast du bereits überlegt, ob du den Trick mit dem Köder auch ausprobieren möchtest? Du wirst feststellen, einfach ist es nicht. Über den Verlauf von drei Wochen fütterte ich mein Telefon mit folgenden Informationen:
Ich möchte eine Schiffsreise unternehmen – egal wohin, einfach über alle sieben Meere. Am liebsten mit einem Katamaran. Andere Schiffe sind mir aber auch recht.
Ich erwäge die Anschaffung eines E-Scooters, um damit schneller zum Bahnhof zu gelangen. (Später fällt mir auf, dass ich vor einiger Zeit das Thema Mikromobilität recherchiert habe. So viel also zur Unvoreingenommenheit!)
Ich benötige einen Kinderwagen.
Und um klarzustellen: Ich will nicht um die Welt schippern, gehe lieber zu Fuss oder nehme das Velo, und Kinder muss ich auch keine im Wagen herumschieben. Doch denke ich, dass, wenn ich tatsächlich abgehört werde, ich meinem Smartphone mit «Reisen», «Mikromobilität» und eben «Kinderwagen» gleich drei Steilvorlagen geliefert habe.
Wenn ich im Beisein meines Telefons über diese Themen redete, hatte ich oft mehrere Apps offen (Instagram, verschiedene Spiele), denen ich unlautere Praktiken durchaus zutrauen würde.
[Weiterlesen: Dein Telefon spioniert dich aus – doch anders, als du vermutlich denkst. Teil zwei: Diese Apps spionieren dich aus]
Ernüchternde Ergebnisse
Nach einer Woche zeigte sich auf einer Clickbait-Seite die erste kleine Reisewerbung – eine von vielen anderen irrelevanten Werbungen. Nur die ebenso auftretenden Anzeigen für Kleinkredite könnten – könnten – eine gewisse Relevanz aufweisen. Viel wahrscheinlicher ist allerdings ein Bestätigungsfehler meinerseits. Nach einer weiteren Woche die nächste winzige Anzeige für Flüge in die USA. Bestätigungsfehler? Mit Sicherheit!
Sonst blieb bei den Werbeeinblendungen alles beim Alten. Keine E-Scooter, keine Kinderwagen. Auch keine Veloanhänger oder sonstiges. Wenn du diesen Test, zu dem die Experten raten, durchführen solltest, bitte informiere mich über deine Resultate. Ich interessiere mich brennend dafür.
In einem weiteren Versuch bin ich dem Tracking mittels Log-Datei auf den Grund gegangen und konnte keine protokollierte Abhöraktion feststellen, dafür jedoch andere interessante Schlüsse ziehen.
[Weiterlesen: Dein Telefon spioniert dich aus – doch anders, als du vermutlich denkst. Teil drei: Was wirklich über dich preisgegeben wird]