Suche

Tutti, Ricardo & Co. – Chat, Klick, Komplett‑Plünderung

Ein surreal gezeichnetes Sofa aus kleinen, transluzenten Plastikbausteinen, aus dem Kabel, QR-Codes und digitale Partikel herauswachsen. Die Illustration wirkt leicht ironisch und verspielt, mit subtilen Cyberpunk-Anklängen und futuristisch-abstrakten Details.

Du willst nur das alte Sofa oder die Gitarre loswerden, und plötzlich meldet sich eine interessierte Person auf Tutti …

Durchschnittliche Lesezeit 6 – 10 Minuten

 

Die Betrügerinnen und Betrüger lenken die Konversation jetzt ganz gezielt von der Plattform weg, sobald es um die Bezahlung geht – bei Ricardo oder ähnlichen Diensten ist es zwar nicht unüblich, Termine für die Übergabe der Ware (etwa die Abholung des Sofas) per E-Mail oder WhatsApp zu vereinbaren. Doch das Ziel dieser neuen Masche ist klar: Zahlungswege ausserhalb der Plattform durchdrücken – etwa per Banküberweisung oder direktem Kartenauftrag – um die Schutzmechanismen der Marktplätze und den Käuferschutz auszuhebeln.

Ein klares Warnsignal ist dabei jede Aufforderung, die Bezahlung ausserhalb der Plattform abzuwickeln – ausser natürlich bei Barzahlung bei persönlicher Abholung. Schon die Einladung, die Plattform zum Geldempfang zu verlassen, ist ein Alarmzeichen.

Und das ist längst nicht mehr nur das alte Phishing-Spielchen, bei dem du vielleicht eine Kreditkartennummer eingibst und ein paar hundert Franken verlierst – und mit etwas Glück die Zahlung rückgängig machen kannst. Was jetzt folgt, kann weit schlimmer sein: Statt nur Daten abzufischen, schicken Täter ZIP-Dateien oder angebliche Rechnungen mit sogenannten Info-Stealern – Schadsoftware, die deinen Computer durchforstet, Passwörter, Cookies, Kreditkarteninfos und sogar Wallets leert.

Gezeichnetes Sofa: Die Sitzfläche reisst auf, krakenartige Kabelarme schiessen heraus und schleudern QR Codes und digitale Partikel in die Luft. Daneben sitzt eine Person, erschrocken und belustigt zugleich, mit Blick aufs Smartphone. Die Illustration verbindet spielerische Ironie mit einer düsteren, digitalen Symbolik.
Abbildung 1 Aus dem Sofa schiessen digitale «Arme» — QR‑Codes, Links, Entsetzen: der Moment, in dem der Betrug sichtbar wird. Quelle: Bing

Denn, wenn du eine Zahlung erwartest, sinkt dein Misstrauen – und genau das nützen die Betrüger aus.

Sie spielen mit deiner Erwartungshaltung – und treffen dich im Moment, in dem du am wenigsten misstrauisch bist.

Kurz: Nicht nur Geld ist weg – dein ganzer digitaler Fussabdruck wird abgeräumt.

 

Die klassische Masche – der erste Köder

Zuerst klingt alles harmlos: Nach dem Inserieren meldet sich der Käufer oder die Käuferin über die Plattform oder per WhatsApp. PDFs, gefälschte Rechnungen oder angebliche Zahlungsbestätigungen mit QR-Codes flattern herein. Auf den ersten Blick wirkt alles seriös – doch das Ziel ist klar: deine Kreditkartendaten abzugreifen.

Ein konkretes Beispiel: Du bekommst die Nachricht, dass der Artikel per «Kurierzustellung» verschickt werden soll – klingt praktisch, oder? Noch besser: Die Versandkosten sollen erstattet werden. Um die Rückerstattung zu erhalten, wirst du aufgefordert, dich auf einer vermeintlichen Webseite der Post einzuloggen. Alles sieht echt aus: Logo, Layout, sogar ein Formularfeld für deine Kreditkartendaten. In Wahrheit ist die Seite eine ausgeklügelte Fälschung. Der Trick: Der zugesandte Bestätigungscode wird als «Rückerstattung» verpackt – in Wirklichkeit öffnet er den Betrügern die Tür zu deiner Kreditkarte. Das kann schnell zu einem hohen finanziellen Schaden führen.

 

Und das ist nur eine Variante. Denkbar sind zahlreiche Phishing-Spielarten und klassische Vorschussbetrugs-Varianten – immer mit demselben Ziel: dich zu manipulieren, damit du sensible Daten herausgibst oder eine Zahlung tätigst, die du nie wieder zurückbekommst.

Dass das kein theoretisches Risiko ist, zeigt ein Beispiel aus Altshausen: Dort verlor eine 43-Jährige über ein Kleinanzeigen-Portal rund 5.000 Euro, nachdem ein vermeintlicher Käufer über die Chatfunktion Kontakt aufnahm. Ein Link führte sie auf eine gefälschte Zahlungsseite, auf der sie ihre Kreditkartendaten eingab. Wenig später war das Geld auf ein ausländisches Konto überwiesen.

Die Polizei warnt ausdrücklich davor, Bank- oder Kreditkartendaten an unbefugte Personen weiterzugeben.

Jede Aufforderung, ausserhalb der Plattform zu bezahlen, ist ein klares Warnsignal.

 

Die neue Eskalationsstufe – Schadsoftware und Psychotricks

Die Betrügerinnen und Betrüger haben nachgerüstet: Was früher oft bei einem missglückten Phishing stecken blieb, wird jetzt systematisch eskaliert. Das Vorgehen läuft jetzt in vier klaren Phasen ab:

  • Phase 1 – Kontaktaufnahme: Freundliche Nachrichten über WhatsApp oder andere Messenger, oft mit einer lokalen, schweizerischen Nummer, um Nähe und Vertrauenswürdigkeit vorzutäuschen.
  • Phase 2 – Klassisches Phishing: PDFs, angebliche Rechnungen oder Links zu gefälschten Seiten (PostFinance, Twint) versuchen wie gehabt, deine Zahlungsdaten abzugreifen.
  • Phase 3 – Schadsoftware: Können die Täter mit Phishing nicht genug erreichen, schicken sie ZIP-Dateien oder vermeintliche Dokumente, die sogenannte Info-Stealer Diese Schadsoftware durchforstet deinen Computer nach gespeicherten Passwörtern, Kreditkartendaten, Session-Cookies – und sogar nach Kryptowallets. Session-Cookies sind dabei besonders gefährlich: sie funktionieren wie «Schlüssel» zu aktuell angemeldeten Konten. Mit gestohlenen Cookies können Angreifer sich ohne Passwort direkt einloggen und Konten missbrauchen. Selbst wenn du anschliessend dein Passwort änderst, können die Angreifer unter Umständen weiter Zugriff haben, solange die betreffende Sitzung aktiv bleibt.
  • Phase 4 – Psychologischer Druck: Parallel dazu wird massiver Zeitdruck aufgebaut («Bitte sofort prüfen!», «Der Kurier wartet!»). Dieser Druck soll dich zu hastigem Handeln verleiten – und das erhöht die Trefferquote der Angreifer deutlich.
Illustration eines überhitzten Computers, aus dem Schattenfiguren mit Symbolen „ZIP“, „.exe“ und „PDF“ kriechen; visualisiert die Eskalation von Phishing zu Schadsoftware bei Online-Betrug.
Abbildung 2 Die neue Eskalationsstufe: Aus dem überhitzten Bildschirm kriechen digitale Schattenfiguren, die Schadsoftware symbolisieren. Dateien, Anhänge und ZIPs bedrohen den Rechner – ein visuelles Sinnbild für die Gefahr, die hinter scheinbar harmlosen Nachrichten lauert. Quelle: Bing

Wichtig: Die Schadsoftware ist in der Regel für Windows‑Computer konzipiert und wirkt auf Mobilgeräten (noch) nicht. Genau deswegen fordern die Täter oft explizit: «Öffnen Sie das Dokument am Computer – auf dem Handy funktioniert es nicht.» Das ist keine Hilfe, sondern eine Falle: Sie wollen dich bewusst in die verwundbare Umgebung locken.

Soforttipp bei Verdacht: Öffne keine Anhänge, trenne bei einem Fehlklick sofort den Computer vom Internet (z. B. WLAN deaktivieren, Netzwerkkabel ziehen oder den Rechner auf andere Weise abrupt vom Internet trennen), wechsle auf ein sicheres Gerät und ändere dort alle wichtigen Passwörter. Melde den Vorfall der Plattform, dem BACS und der Polizei.

 

Wie du dich schützen kannst

Ein paar Regeln, die wirklich helfen:

  • Bleib auf offiziellen Kanälen: Nur über die Plattform kommunizieren, nicht über WhatsApp oder fremde Messenger.
  • Öffne keine unaufgeforderten Dateien: PDFs, ZIPs oder Links können gefährlich sein.
  • Prüfe Zahlungen selbst: Nur der tatsächliche Geldeingang in deiner Banking- oder Twint-App zählt. Screenshots oder PDFs sind keine Beweise.
  • Bestimme deine eigenen Regeln: Lass dich nicht auf komplizierte Rückerstattungen oder Verifizierungen ein.
  • Halte Systeme aktuell: Browser, Betriebssystem und Sicherheitssoftware auf dem neuesten Stand.
  • Handeln bei Verdacht: PC vom Internet trennen, Passwörter auf einem sicheren Gerät ändern, Informiere sofort die Verkaufsplattform, das BACS oder die Polizei – je früher, desto besser.

 

Von wegen harmloser Sofa-Verkauf

Die Masche ist clever, die Tricks überzeugend – aber ein wachsames Auge schützt dich vor finanziellen Schäden und digitalem Totalschaden. Ein Link, eine PDF oder ein QR-Code sind niemals Grund, vorschnell private Daten weiterzugeben. Ein paar einfache Vorsichtsmassnahmen genügen, um Betrüger ins Leere laufen zu lassen.

Misstrauen ist die beste Firewall!

 

Zum Weiterlesen – wie alles begann und wie es weitergeht

Wer jetzt noch tiefer einsteigen möchte:

Unser älterer Artikel zum Tutti-Trickbetrug zeigt, wie die Masche ursprünglich funktionierte, bevor die Betrüger auf Schadsoftware umgestiegen sind. Damals ging es «nur» um gefälschte Zahlungsbestätigungen und das Abgreifen von Kreditkartendaten – heute ist das längst eine andere Liga.

[Weiterlesen: Vorsicht: Trickbetrug auf Tutti]

Aktuelle Entwicklungen und Warnungen zu laufenden Betrugsmaschen finden sich direkt bei Cybercrimepolice.ch. Dort wird regelmässig über neue Varianten berichtet – manche davon sind so raffiniert (und haarsträubend), dass sie selbst erfahrene Nutzerinnen und Nutzer kalt erwischen könnten.

Auch wir veröffentlichen auf unserem Blog regelmässig aktualisierte Sicherheitsartikel, die zeigen, wie du dich effektiv gegen Betrug, Phishing und digitale Täuschungsmanöver schützen kannst.

[Weiterlesen: Phishing verstehen – wie du Betrügereien erkennst und vermeidest]

➡️ Cybercrimepolice.ch – Aktuelle Cybercrime-Warnungen

Ähnliche Beiträge

Berufswandel im Zeichen der Digitalisierung

«Die Digitalisierung schafft 13 neue Lehrberufe», raschelte es unlängst im Blätterwald. Man berief sich auf eine Auswertung des Staatssekretariats für Berufsbildung (SFBI)....

7 Outlook-Tipps von einfach bis fortgeschritten

Outlook – was dereinst Microsofts Hotmail als E-Mail-Dienst abgelöst hat, ist mittlerweile vielmehr als nur das. Die App hat sich seit ihrer Einführung im Februar...

Serie Bedrohungen im Internet, Teil 6: Betrügerische Supportanrufe

Der nachfolgende Teil unserer Serie beschäftigt sich mit der erfolgreichen Masche, sich über einen betrügerischen Telefonanruf Zugang zu deinem Computer, der ans Internet angeschlossen ist,...

Ähnliche Beiträge

Abstraktes digitales Planetensystem, Zentrale Suchmaschine sendet Licht auf Inhalte, transluzente Mikroplastik-Bausteine, futuristische Neon-Datenlinien, Cyberpunk-Dystopia, symbolisch.

Das Ende des Zufalls: Googles neuer AI Mode kennt die Antwort bereits

Aus Staunen wird Service: Mit dem «AI Mode» ersetzt Google die Suche durch Antworten – und beendet damit den Zufall im Netz....
Person tippt im Chat, Produktbilder schweben über Chatfenster, KI-Avatar oder Icons zeigen Interaktion, Cyber-Mikroplastik-Collage, transluzent, futuristisch, Infografik-Stil

Shoppen mit ChatGPT: Vom Chat direkt in den Warenkorb

Bislang war ChatGPT vor allem eins: ein digitaler Assistent für Informationen, Texte und kreative Ideen. Doch nun wagt OpenAI den Schritt in eine völlig neue...
TEAM GREENITS - Dominik Neuffer

Dominik Neufer
Leitung Kommunikation

Du hast Fragen oder Anregungen?

Ich stehe jeden ersten Freitag im Monat für unsere Blogsprechstunde telefonisch unter +41 31 529 10 19 zur Verfügung. Gerne kannst du mir auch eine E-Mail an blog@greenits.ch schreiben.

Ich freue mich auf einen regen Austausch und interessante Gespräche.

Werbehinweis (Link mit Sternchen*)

Achtung: Affiliate-Link. Wenn du das verlinkte Produkt kaufst, bekommen wir eine Provision. Für dich ändert sich nichts am Preis. Nur fürs Protokoll: Wir stellen hier nur Produkte vor, die sich für uns in der Praxis bewährt haben.

Newsletter abonnieren

…und einen CHF 250 Gutschein erhalten!

Erhalte regelmässige Updates zu IT-Themen, profitiere von exklusiven Rabatten, sei immer informiert über unsere neuesten Produkte und entdecke inspirierende IT-Inhalte, Tipps und Tricks. Als Dankeschön schenken wir dir einen Gutschein im Wert von CHF 250 für deine nächste Shop-Bestellung.

Jetzt anmelden und profitieren!